Liebe Leser,
ein halbes Jahr ist seit dem letzten Bericht vergangen. Sechs Monate, in denen es seglerisch von mir nichts großes zu berichtet gab. Ich war viel mit dem Auto unterwegs, 90.000 km in den vergangenen 2 Jahren. Meist von Vortrag zu Vortrag, stundenlange Autobahnfahrten, weshalb ein Freund mir schon anriet, ich solle doch lieber für das ADAC-Magazin oder die Autobild schreiben, anstatt für die YACHT...
In der YACHT ist derzeit ein interessantes Interview von Wilfried Erdmann zu lesen, mit dem ich in diesem Sommer einen kleinen Segeltörn auf der Kieler Förde gemacht habe, um dabei „...auf dem Wasser Geschichte zu erörtern“. Wilfried ist 1966 mit 26 Jahren als erster Deutscher um die Welt gesegelt, ich fast 40 Jahre später allein mit der Maverick über den Atlantik. Eine interessante Gegenüberstellung unserer Motivation, Faszination und zugleich eine Inspiration, solche Reisen zu wagen! Jetzt zu lesen in Ausgabe 22, „Die Stunde der Solisten“.
Zusammen mit einem anderen Einhandsegler, Uwe Röttgering, der mit seinem Boot Fanfan! von 2001-2003 auf einer ziemlich ungewöhnlichen und interessanten Route um die Welt gesegelt ist, habe ich diesen Sommer einen beeindruckenden Sturm vor Rügen erlebt. Eigentlich wollten wir nur kurz einmal nonstop rund Rügen segeln, als sich schon drei Stunden nach dem Auslaufen der Himmel ganz plötzlich zuzog.
Noch immer an kleine Acht-Meter-Boote wie meine „Maverick“ gewöhnt, war ich ein wenig überrascht, als Uwe alle Segel einholte - aber zehn Minuten später dann ziemlich dankbar dafür, als ein Gewittersturm mit in den Spitzen bis 61 Knoten Wind (fast Windstärke 12!) über uns hinweg jagte und die Fanfan! vor Top und Takel mit über 30 Grad Krängung und 7,5 Knoten gen Osten schob. Der schlimmste „Sturm“, den ich bis dahin auf dem Atlantik erlebt hatte, dürfte den Namen „Sturm“ mit 8 Bft. eigentlich noch gar nicht verdienen. Aber für mich ging auf dem kleinen Boot schon bei solchen Winden die Welt unter.
Nicht zu vergleichen jedoch mit dem Wetter, das wir nun auf Fanfan! erlebten. Beide standen wir mit großen Augen unter den beiden Plexiglas-Glubschaugen und schauten uns mit wachsender Faszination das Spektakel draußen an, als die Blitze vom Himmel zuckten. Mit solch einem Boot auf der Ostsee war dieser Sturm halb so schlimm. Ich möchte jedoch nicht wissen, wie es im Südpolarmeer aussieht, wenn tagelang Wind mit dieser Stärke gegenan steht, so wie es Wilfried Erdmann auf seiner Nonstop-Weltumsegelung erlebt hat. Respekt.
Kaum dass der Sturm vorbei war und wir die Segel wieder gesetzt hatten, sichteten wir vor unserm Bug einen gekenterten Strandkatamaran mit zwei Gepäcksäcken auf das Netz gebunden. Von den Seglern keine Spur. Nachdem wir das Boot einige Male umkreist hatten, setzten wir über Funk eine Seenotrettungsaktion in Gang: Keine Viertelstunde später war bereits der erste Hubschrauber über uns, kurz darauf folge ein zweiter und bald waren auch zwei Seenotkreuzer vor Ort sowie ein zum Mitsuchen abkommandiertes Behördenschiff. Wir hatten den Kat bereits ins Schlepp genommen und bekamen den Auftrag ihn nach Sassnitz zu schleppen. Ein mulmiges Gefühl, den Kat am Haken, das Gepäck noch immer darauf fest gebunden - und die Gedanken, dass dessen Eigner gerade igendwo im Wasser treiben und um ihr Leben kämpfen, während sich der Tag langsam neigt und der Wind gen Schweden weht.
Endlich, endlich - kurz vor Sonnenuntergang die Entwarnung: Die beiden Jungs sind dicht unter Land gekentert und konnten sich schwimmend an Land retten. Ein Seenotkreuzer kam längsseits, setzte mit dem Tochterboot zwei Seenotretter zu uns über, die den von uns mittlerweile aufgerichteten Kat übernahmen und mit sichtlichem Vergnügen nach Sassnitz überführten, während wir in ihrem Kielwasser folgten. Gut, dass alles so gut ausgegangen ist.
Ansonsten gibt es aus meinem Segelsommer nicht sonderlich viel Aufregendes zu berichten. Außer vielleicht vom Mai: Da habe ich mit meinen Freunden Georg und Irene (bekannt aus dem Buch) und Georgs Vater deren frisch gekaufte 42-Fuß-Yacht „ZigZag“ von Eastbourne nach Krefeld überführt - in nur 5 Tagen! Das war wirklich eine schöne Zeit mit einer toll eingespielten Crew. Per Ryanair ging es für 16 Euro (zu dritt!) nach England, mit dem Mietwagen weiter an die Küste, wo wir das Boot am Nachmittag übernahmen und am nächsten Morgen ausliefen. Nach einem über 200-Meilen Etmal und der Überquerung der Straße von Dover bei Nacht erreichten wir am nächsten Vormittag Holland, tuckerten gemütlich die Kanäle hinauf, legten einen Tag lang den Mast (seit dem Bau des Bootes vor 5 Jahren noch nie gelegt...) und motorten weiter in den Rhein, wo wir schließlich Krefeld erreichten. Dort leben die beiden jetzt auf ihrem Boot.
Auch hier in Kiel hatte ich dieses Jahr Gelegenheit, auf dem Boot meiner Familie, einer 8,22 m langen Amethyst mit Namen „Pathfinder“ ein bisschen aufs Wasser zu kommen. Unser weitester Törn brachte uns jedoch nur einmal die Schlei hinauf bis Missunde. Schade eigentlich, denn das Boot wäre eigentlich perfekt, um damit die Welt zu umsegeln, aber wir haben es dieses Jahr viel zu wenig genutzt. Daher hat es letzte Woche einen neuen Eigner gefunden, der es hoffentlich mehr segelt als wir.
Sommerimpressionen mit "Pathfinder"
Was meine neuen Pläne angeht, nach denen ich immer wieder per Mail gefragt werde, möchte ich da noch nicht konkret werden. Natürlich möchte ich, wie ich immer wieder gesagt habe, so schnell wie möglich wieder los fahren und die Welt umsegeln - jedoch steht erstmal noch, wie ich es meinen Eltern vor der Atlantikreise versprochen habe, das Studium an. Außerdem soll die nächste Reise keine gewöhnliche Passatrouten-Weltumsegelung sein, sondern es sind die extremen Reviere weit im Norden und weit im Süden, die mich reizen. Ebenso Orte, wo sonst kaum einer hin segelt. Natürlich braucht man für solch ein Abenteuer das passende Boot und Geld und daran haperts bisher noch allemale. Außerdem möchte ich was die Ankündigung im Vorfeld angeht eher kleine Brötchen backen.
Bis dahin erzähle ich jedoch gerne weiterhin von meiner letzten Reise. Bisher habe ich 82 Vorträge gehalten und plane derzeit die Vortragstour für diesen Winter. Also wenn Sie Interesse haben, mich in Ihren Segelverein, ihre Firma oder sonstige Veranstaltungen einzuladen, schreiben Sie mir gerne eine Mail.
Letzten Sonntag erschien gerade ein nettes Porträt in der „Welt am Sonntag“, worin zu lesen ist, dass ich „eher einem smarten Harvard-Studenten, als einem jungen Seebären“ gleiche. Über den Vergleich habe ich sehr geschmunzelt, ich werde an meinem seebärigen aussehen arbeiten!
Wie in der Welt am Sonntag berichtet, werde ich kommende Woche wieder auf der Hanseboot in Hamburg sein und dort täglich an verschiedenen Orten erzählen:
Am Sonntag, den 26. Okt., bin ich als Referent im Blauwasserseminar von Bobby Schenk und erzähle dort von meiner Atlantiküberquerung. Täglich bin ich außerdem vom 27. Okt. bis zum 2. Nov. jeweils um 12 Uhr am Stand der YACHT in Halle B2 davon erzählen, wie man eine Langfahrt mit wenig Mitteln angeht, wo man sparen kann, was an Bord überflüssig und was notwendig ist: „Mit kleinem Boot auf große Fahrt“ heißt der Vortrag.
Außerdem werde ich von Montag bis Freitag jeweils von 14.40 bis 15.00 Uhr auf der Hanseboot-Arena sein: Am Montag noch allein, am Dienstag und Mittwoch zusammen mit Wilfried Erdmann und am Donnerstag und Freitag zusammen mit Uwe Röttgering.
Ich freue mich sehr auf die Messe und viele interessante Gespräche!
Mit Grüßen aus Kiel,
Johannes
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