der Atlantik schenkt uns keine einzige Meile. Gestern war (hoffentlich!)
der frustrierendste Tag der gesamten Überfahrt: Kurz nach meinem letzten
Blogeintrag drehte der Wind komplett auf Ost und kam mit etwa 5
Windstärken von vorn. Dazu setzte ein Gegenstrom von etwa 2 Knoten ein,
der uns genau zwei Chancen gab: Entweder auf dem 61sten Längengrad nach
Norden oder auf dem 61sten Längengrad nach Süden. Nach Osten? - Nicht
möglich. Unter uns im Süden ziehen gerade drei Tiefdruckgebiete in Reihe
nach Osten, die wohl für den Gegenwind verantwortlich sind. Weiter nach
Norden segeln? Dort ist laut Wetterkarte mit Flaute zu rechnen. Also
entschlossen wir uns, genau Kurs nach Süden und auf das Tiefdruckgebiet,
das in seinem Kern maximal 7 Windstärken, aber bis 4,5 Meter Welle haben
soll, zu nehmen. Die Entscheidung erwies sich als richtig. Bis
Mitternacht konnten wir nur genau Kurs Süd halten, aber im Laufe der
Nacht ließ der Strom, je weiter wir nach Süden kamen, nach sodass wir
gegen 4 Uhr morgens erstmals wieder Kurs auf die Azoren nehmen konnten,
anstatt nur "auf der Stelle" zu segeln. Was für ein Glücksgefühl!
Jetzt kam sogar die Sonne wieder heraus - dafür drehte der Wind jedoch
soweit, dass wir nur noch Ostsüdost anliegen können. Aber lieber nur ein
wenig nach Ost als gar nicht! Wir sind gespannt, was die nächste
Wetterkarte bringt. Wir hoffen, in die Westwinde der Tiefs zu gelangen,
ohne ganz hinein zu segeln.
Das Leben an Bord war gestern den ganzen Tag wirklich grenzwertig. Das
Boot war nur so am Hüpfen uns springen, immer wieder kamen Wellen über.
Unsere Klamotten sind inzwischen klamm und salzig. Selbst der Schlafsack
schon. Überhaupt kostet es immer wieder eine kleine Überwindung, aus der
warmen Koje in das feuchte und salzig-klebrige Ölzeug zu klettern und
sich auf Wache ins Cockpit zu setzen. Wie einfach wäre doch alles, wenn
wieder Westwinde aufkämen und wir genau auf die Azoren zu laufen
könnten. Denn bis dahin sind es auch immerhin noch 1490 Meilen.
Das Etmal für heute fiel zwar wieder bescheiden aus, aber für die
Gegebenheiten immer noch gut: 58,9 Meilen. Durchs Wasser dafür 86,3
Meilen.
Nach dem nervigen und vor allem erschöpfenden Tag mit dem
"auf-der-Stelle-Segeln" gestern, sind wir heute bei Sonne schon wieder
etwas zuversichtlicher. Wird schon wieder besser werden. Mal sehen, was
die Wetterkarte gleich um 19.15 UTC bringt...
Viele Grüße von hier draußen!
Johannes
Anbei ein erschöpftes Foto vom täglichen Empfang der Wetterfaxe über
Kurzwelle.
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